Im August 2016 verstarb nach einer längeren, schweren Erkrankung die Schwester meiner Freundin aus Köln im Alter von 84 Jahren.
Sie hatte mehrere Wochen im Krankenhaus gelegen und kam von dort aus mit ihrem Einverständnis direkt in ein Kölner Hospiz, ohne nochmal in ihrer Wohnung gewesen zu sein. Sie fühlte sich im Hospiz sehr wohl und sagte allen Mitarbeitern und Besuchern, sie habe ein wunderbares neues Zuhause gefunden. Im Hinblick auf ihren nahenden Tod hatte sie den Wunsch geäußert und auch schriftlich festgelegt, dass sie auf See bestattet werden wollte.
Um diesem Wunsch zu entsprechen schloss meine Freundin bei einem Bestatter einen Vorsorgevertrag für eine Seebestattung ab.
Danach wollten wir ihre Schwester im Hospiz besuchen. Als wir gegen Mittag dort ankamen, teilte man uns mit, dass die Schwester vor einer halben Stunde verstorben war. Sie war ruhig und friedlich in ihrem Bett eingeschlafen. Meine Freundin nahm die Nachricht vom Tode ihrer Schwester gefasst auf. Ich war sehr froh und dankbar, dass ich meiner Freundin in dieser Stunde zur Seite stehen konnte. Wir gingen in das Zimmer der Verstorbenen, die friedlich und zufrieden lächelnd in ihrem Bett lag. Ihr Zimmer war mit Blumen und Kerzen liebevoll hergerichtet. Wir setzen uns zu ihr und konnten in Ruhe Abschied nehmen. Anschließend setzten wir uns noch mit den Mitarbeitern des Hospizes zusammen.
Schließlich verabschiedeten wir uns von den Mitarbeitern und ich fuhr erleichtert und dankbar, dass ich zufällig am Todestag der Schwester meiner Freundin in Köln war, nach Hause.
Nun standen wir noch vor der Aufgabe, den letzten Wunsch der Verstorbenen zu erfüllen und eine Seebestattung zu organisieren.
Mein Mann und ich hatten vor einiger Zeit unseren Urlaub auf der Insel Baltrum verbracht, und dort zufällig vom Strand aus in weiter Ferne eine Seebestattung beobachtet. Wir sahen später im Baltrumer Hafen das Schiff vor Anker liegen und erfuhren, dass sich die Reederei auf Seebestattungen spezialisiert hatte. Nach dem Tod der Schwester erinnerten wir uns an diese Reederei und beschlossen, wenn möglich die Seebestattung dort durchführen zulassen.
Der Kölner Bestatter nahm auf unseren Wunsch hin Kontakt zu der Reederei in Norddeich auf, organisierte die Einäscherung und die Überführung der Urne zur Reederei. Dort wurden wir nach unseren Wünschen bezüglich der Trauerzeremonie gefragt, konnten den Blumenschmuck bestimmen und eine Tee- oder Kaffeetafel an Bord bestellen. Dann wurde noch der Termin für die Seebestattung vereinbart.
An einem Freitag im August fuhren wir mit unserer Freundin morgens nach Norddeich. Dort angekommen lag das Schiff bei strahlenden Sonnenschein schon im Hafen. Der Kapitän empfing uns an Bord. Auf einem Tisch im Salon des Schiffes stand die Urne, mit einem schönen, bunten Blumenkranz geschmückt. Vor der Abfahrt erklärte uns der Kapitän den Ablauf der Zeremonie.
Die Schiffsflagge wurde auf Halbmast gesetzt, dann fuhr das Schiff auf die Nordsee hinaus in das für Seebestattungen vorgesehene Gebiet. Der Kapitän platzierte die Urne mit dem Blumenkranz in das Heck des Schiffes. Meine Freundin und ich trugen zum Abschied jeder ein Gedicht vor. Meine Freundin wählte das Gedicht „Es war als hätte der Himmel die Erde still geküsst“.
Dann sprach der Kapitän ein paar liebe und tröstende Worte zu uns und verlas ein Gedicht von Theodor Storm:
Ewiger Wellengang flüchtiger Zeit:
Aufstieg und Niedergang,
Freude und Leid
Lacht dir der Sonne Licht
Heut gar hell,
weißt du es am Morgen nicht –
Leid schreitet schnell.
Ewiger Wellengang rausche dahin,
Aufstieg und Niedergang,
alles hat Sinn.
Nun kam der Moment in dem die Urne auf der Steuerbordseite an einem Seil ins Wasser gelassen wurde. Anschließend übergab der Kapitän den Blumenkranz dem Meer. Als letzten Gruß warf jeder von uns eine gelbe Rose hinterher. Die Urne schwamm noch eine Weile auf der Oberfläche und versank dann allmählich im Meer. Sie wird bis auf den Meeresboden sinken und sich dort nach ca. fünf Stunden auflösen. Die Asche wird sich dann mit den Wellen verteilen.
Die Schiffsglocke läutete vier Doppelschläge zur Wachablösung, das bedeutet, ein Mensch verlässt das Schiff des Lebens und übergibt der Nachwelt die Wache. Danach ertönte dreimal das Schiffshorn, das ist das Signal für „Gute Reise„. Als letzte Ehrerweisung umrundete das Schiff noch einmal die Bestattungsstelle. Dann wurde die Flagge wieder gehisst und das Schiff machte sich mit langsamer Fahrt auf den Rückweg nach Norddeich.
Die genauen Koordinaten der Bestattungsstelle wurden vom Kapitän ins Logbuch eingetragen. Ein paar Tage später erhielt meine Freundin eine Seekarte mit der Position der Beisetzung.
Wir ließen den Tag in einem Hotel am Meer ausklingen und fuhren am anderen Morgen nach Hause zurück. Diese würdevolle und sehr persönliche Bestattung hat uns tief berührt und wird in unserem Gedächtnis bleiben.