Führung über den Mülheimer Hauptfriedhof
Zu einem Rundgang über den Mülheimer Hauptfriedhof trafen sich im September 2015 ehrenamtliche MitarbeiterInnen des Ambulanten Hospizes Mülheim. Herr Wolfgang Rosenberger, Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung, informierte sowohl über die Geschichte des Friedhofes als auch über die dortigen Bestattungsmöglichkeiten.
Rund um Kirchen fand und findet man „Kirchhöfe“ mit Grabstätten für die Verstorbenen der Gemeinde. Mit wachsender Bevölkerung und damit zunehmendem Platzmangel dezentralisierte man die „Friedhöfe“ an die Ränder der Orte.
Nachdem der Altstadtfriedhof zu klein geworden war, schrieb die Stadt MH im Jahre 1915 einen öffentlichen Wettbewerb zur Anlage eines neuen Friedhofs aus. 70 Bewerber reichten ihre Entwürfe ein.
Der Siegerentwurf „Den Toten zur Ruh – den Lebenden zur Erholung“ (Inschrift im Bogen des Haupteingangs) des Mülheimer Architekten Theodor Suhnel und der Entwurf „Grünumhegt“ der zweitplatzierten Landschaftsarchitekten Friedrich Bauer und Walter Günther aus Magdeburg wurden vereinigt und als Teil I realisiert.
1916
Eröffnete die Stadt MH auf dem ursprünglich 38 ha großen Gelände (ehemaliger Exerzierplatz) den „Hauptfriedhof“. Zeitgleich errichtete man auch die erste Trauerhalle – heute „alte Trauerhalle“. Sie dient heute noch als Versammlungshalle bei Begräbnissen mit wenigen Trauergästen. 2005 entdeckte man im Zuge von Renovierungsarbeiten Deckenmalereien, die aufwändig freigelegt und erneuert wurden.
1924
1. Erweiterung des Friedhofes (Teil II)
Anlage aller Hauptwege
1960
Bau der „neuen“ Trauerhalle auf dem höchsten Punkt des Friedhofes. Ein architektonisch ansprechendes Gebäude mit einer Glaskuppel und einer ca. 8 Meter hohen zwei flügeligen Bronzetür. Einfallende Sonnenstrahlen lassen das Deckengemälde „Die Offenbarung“ und den Innenraum in warmem Licht erstrahlen.
1970
2. Erweiterung des Friedhofes nach Osten nach Plänen der Landschaftsarchitekten Gustav und Rose Wörner (Teil III)
1978
3. Erweiterung des Friedhofes (Teil IV)
1996
Anlage eines muslimischen Gräberfeldes (ca. 1000qm)
2010
Zusammenlegung zweier kleinerer Abschiedsräume neben der neuen Trauerhalle zu einem größeren. Dort können auch Trauerfeiern im kleinen Rahmen stattfinden.
Heute umfasst das klar gegliederte, parkähnlich angelegte Friedhofsgelände 45 ha mit schönen Alleen und einem Ringweg, der im weiten Bogen bis zu den Waldgräbern führt und am Nachmittag zu den Grabstätten mit dem Auto befahren werden kann.
Nähert man sich dem Hauptfriedhof, trifft man auf ein langgezogenes, denkmalgeschütztes Eingangsensemble mit zentralem Hauptportal und markantem Glockenturm obenauf, dessen Glocke stets erklingt, wenn Trauergäste die große Trauerhalle verlassen.
Mit dem Betreten des Friedhofsgeländes wird die Sicht gelenkt auf den Hauptweg mit einer 300 Meter langen Eichenallee, deren Ende den Blick weit in die Landschaft des Ruhrtales oder scheinbar in die Unendlichkeit schweifen lässt. Beidseitig der Allee zeigen ortsansässige Gärtner und Steinmetze variantenreich angelegte Mustergräber, die jahreszeitlich neu gestaltet werden.
25% des Friedhofsgeländes nehmen Grab-, 75% Grün-, Wege- und Gebäudeflächen ein.
Durch seinen hohen Grünanteil und einer beeindruckenden Artenvielfalt an exotischen Bäumen (u.a. Mammutbäume) und Sträuchern gewinnt der Friedhof immer mehr an ökologischer Bedeutung, er trägt als Sauerstoffspender und Staubfilter wesentlich zur Luftverbesserung der Stadt bei.
Insgesamt 28 km Hecken umzäunen das parkähnlich angelegte Gartendenkmal oder teilen die diversen Begräbnisfelder voneinander ab.
Besonders im südlichen, waldreichen Teil des Geländes finden sich große Parzellen mit teils imposanten Grabsteinen. Sie sind Gedenkstätten prominenter Bürger, Künstler, Naturwissenschaftler, Industrieller und Kaufleute der Stadt.
Ein Kriegsgräberfeld gedenkt der vielen Opfer des 1. Weltkrieges und ein von Thyssen unterhaltenes Grab gedenkt der 17 Frauen, die am 17.07.1917 um 17:00 zu Tode kamen.
Friedhöfe sind Orte des Trauerns, der Begegnung und der Erholung.
Im Laufe der Jahrzehnte wandelte sich die in Deutschland weitverbreitete Erdbestattung um in eine Vielzahl von Bestattungsmöglichkeiten als Folge neuer Familienstrukturen und veränderter Abschiedsvorstellungen.
70% aller Beisetzungen auf Mülheimer Friedhöfen sind heute Urnenbestattungen. Dadurch frei werdende Grabfelder verwandeln sich mehr und mehr in Parkanlagen. Gesellschaftliche Entwicklungen erforderten ein Umdenken in der Bestattungskultur und so kann MH heute 25 individuelle Bestattungsformen anbieten (verteilt auf alle Mülheimer Friedhöfe)
Übersicht über Bestattungsmöglichkeiten auf dem Mülheimer Hauptfriedhof
- A. Grabarten mit individueller Pflege
Erdbeisetzungen
Wahlgrab
- Lage individuell wählbar
- je Stelle – 1Sarg / oder bis zu 4 Urnen
- nicht anonym
- 25 Jahre Nutzungsrecht mit Verlängerungsoption
Familiengrabstätten
- repräsentative Lage mit Heckeneinfassung
- je Stelle – 1 Sarg / oder bis zu 4 Urnen
- zwei hintereinander liegende Gräber
- nicht anonym
- 25 Jahre Nutzungsrecht mit Verlängerungsoption
Waldgräber
- große Fläche, exponierte Lage – als Lichtungen in Baumbeständen angelegt
- je Stelle – 1 Sarg / oder bis zu 4 Urnen
- nicht anonym
- 25 Jahre Nutzungsrecht mit Verlängerungsoption
Grabstätten für Urnenbeisetzungen
- 1.50 qm und 3.00 qm „kleine“ und „große“ Urnenwahlgrabstätten
- Lage individuell wählbar
- Angebot für mehrere Familienangehörige
- je Stelle – bis zu 4 Urnen
- B. Pflegefreie Grabstätten
Pflegefreie Grabstätten werden als Sarg- oder Urnengräber angeboten. Bei einmaliger Kostenerhebung für Grabstelle und Pflege bleiben sie für die Angehörigen bis zum Ablauf der Ruhezeit kosten- und pflegefrei.
Der Buchenurnenhain
- Rasenfläche mit 2 großen Trauerbuchen
- Urnenreihengrabstätte
- keine anonyme Bestattung – 2 Grabmalsäulen mit den Namen der Verstorbenen
- keine individuelle Grabgestaltung möglich – Pflege durch Friedhofsamt
- Ruhesitzbank zum Verweilen
Reihengräber
- Lage wird von der Friedhofsverwaltung vorgegeben
- Einzelgrab (für Sarg oder Urne)
- nicht anonym
- Verlängerung der Nutzungszeit nicht möglich
Kindergräber
- separates Grabfeld für Kinderbeisetzungen (für Särge bis zu 1.20m Länge)
- „Sternenfeld“ – Beisetzungen von Totgeburten
- nicht anonym
Anonyme Reihengräber
- Lage wird von der Friedhofsverwaltung vorgegeben
- Einzelgrab (Sarg oder Urne)
- Zentraler Gedenkplatz mit Ablage für Blumen und Kränze)
Baumbestattungen
- nur auf dem Hauptfriedhof möglich
- Gemeinschaftsgräber unter Eiben und amerikanischen Eichen
- angedacht für Menschen mit hoher Naturverbundenheit
- Verwendung biologisch abbaubarer Urnen (innerhalb weniger Wochen)
- nicht anonym – Gedenkstein trägt die Namen der Verstorbenen
- Gedenkstein = SUMMSTEIN (ein großer Monolith mit Aushöhlung. Hält man den Kopf hinein,
können durch selbsterzeugte Töne Vibrationen im Körper entstehen)
- Sitzbänke zum Verweilen
Familienbaum
- Beisetzung von bis zu 6 Urnen einer Familie im Wurzelbereich eines Baumes
- Gedenkstein mit Namen der Verstorbenen
Gemeinschaftsgrabanlagen und Partnergräber für Särge und Urnen
- neueste, gärtnerisch gestaltete Anlage für Särge und Urnen (als Einzelgräber)
- Partnergräber für Särge und Urnen
- pflegefrei für die Zeit der Nutzung
Gemeinschaftsgräber für Urnen
- Grabstätte für jeweils 16 Urnen
- Namensnennung auf gemeinschaftlicher Steele
- Grabpflegevertrag (Treuhandstelle Köln) für die gesamte Ruhezeit
Anonyme Beisetzungen
- Sarg- Urnengrabstelle bleibt anonym
- Keine persönliche Gestaltung möglich
Anonymes Aschefeld
- 2004 angelegt
- Verstreuen der Asche durch den Bestatter
- Wassersprenkler verhindern Ascheflug nach der Verstreuung
- nur möglich bei testamentarischer Verfügung zu Lebzeiten
Islamisches Gräberfeld
- 1996 Anlage des islamischen Gräberfeldes
- Reihen- Wahl- und Kindergräber
- Bestattung nach islamischem Ritus – auch sarglos
- Gräberausrichtung nach Mekka
- neues, vorher nicht belegtes Bestattungsfeld
- steinerner Gebetstisch für muslimische Zeremonien
- keine Nutzungsverlängerung
Die MitarbeiterInnen des Ambulanten Hospizes bedanken sich bei Herrn Rosenberger für die inhaltlich umfangreiche, kurzweilige und sehr informative Führung über den Hauptfriedhof.
Text: Marlies Joneck
Fotos: Werner Menne