Hospiz

Begleitung bis zum letzten Tag

27.01.2016

Begleitung bis zum letzten Tag

Kürzlich verlegte das Ambulante Hospiz sein Büro an den Hagdorn 27. Hier treffen sich Mitarbeiterin Helga Kunz (re.) und Leiterin Ursula König.Foto: Katharina Gilles

Mit finanzieller Unterstützung des Ambulantes Hospizes wurde jetzt in Mülheim der erste Pflegedienst für Schwerstkranke eingerichtet.

 

Im Januar 1996, als sich der ambulante Hospizverein in Mülheim gründete, war die Familie von Helga Kunz noch komplett, und sie selber stand im Berufsleben. Als Physiotherapeutin arbeitete sie lange im Altenpflegeheim und erlebte schon damals eindringlich mit, „dass der Tod zum Leben gehört“.

Heute weiß die 66-Jährige: „Aber Hospizarbeit ist noch etwas ganz anderes...“ Helga Kunz gehört mittlerweile zum Kreis der etwa 35 Ehrenamtlichen, die Schwerstkranke und deren Angehörige begleiten. Mit der Besonderheit, dass sie anfangs selber diese Hilfe in Anspruch nahm. Sie berichtet: „Mein Mann ist Ende Dezember 2011 zu Hause verstorben. In seinen letzten Lebenswochen, als es sehr schlimm war, habe ich die Adresse des Ambulanten Hospizes bekommen.“

Dort meldete sie sich, ein Mitarbeiter kam vorbei, „ein sehr sensibler Mensch, der gut auf meinen Mann eingegangen ist“, und ihr die Möglichkeit gab, für einige Stunden das Haus zu verlassen, Erledigungen zu machen in einer Zeit, da die Krankheit im Endstadium auch ihr Leben beherrschte. Nach dem Tod ihres Mannes und einer Phase tiefer Trauer erinnerte sie sich, wie gut die Besuche des Ehrenamtlichen ihrem Mann und ihr selber getan hatten.

Zeitungsanzeige als entscheidender Impuls

Eine Zeitungsnotiz, in der das Ambulante Hospiz ein neues Vorbereitungsseminar für Mitarbeiter ankündigte, gab den entscheidenden Impuls. Im Oktober 2012 wurde Helga Kunz aktiv, nutzte den Kurs, um ihre persönliche Biografie „mit allen Höhen und Tiefen“ zu beleuchten, um den eigenen Verlust zu verarbeiten.

Ursula König, Leiterin des Ambulanten Hospizes, zweifelte seinerzeit, ob es nicht zu früh sei. „Viele Ehrenamtliche kommen aus eigener Betroffenheit“, sagt sie, „aber nicht so kurz nach der Trauerphase.“ In Helga Kunzes Fall ging es gut, eine Reihe von Schwerstkranken hat sie seitdem begleitet, manchmal im Pflegeheim, meist aber zu Hause, wo ihr oft entkräftete Angehörige begegnen, „die froh sind, wenn sie wieder einen Tag geschafft haben“. Strapazen, die sie aus eigener Erfahrung kennt.

Die Zentrale des Ambulanten Hospizes besteht aus einem kleinen Büro, in dem eine hauptamtliche Koordinatorin halbtags arbeitet. Sie entscheidet, wer wen betreut.Helga Kunz wurde häufig zu Sterbenden gerufen, die sie nur noch ein oder zwei Mal besuchen konnte. Oft hört sie ihnen ausdauernd zu, gelegentlich liest sie kurze Geschichten oder Gedichte vor, „auch schwere Momente muss man aushalten“.

Der an Krebs im Endstadium erkrankte Mann, den sie zuletzt betreute, ist vor 14 Tagen im Krankenhaus verstorben. Nach jedem Abschied nehmen die Ehrenamtlichen eine Auszeit. Helga Kunz glaubt, dass ihre Arbeit sie selber zum Positiven verändert hat: „Man wird offener und ruhiger“, meint sie. „Eine erfüllende Aufgabe...“

Erster Pflegedienst für Schwerstkranke in Mülheim

Mit finanzieller Unterstützung des Ambulanten Hospizes wurde zum 1. Januar 2016 erstmals auch ein palliativer Pflegedienst ins Leben gerufen, den es bis dato in Mülheim nicht gab. Konkret handelt es sich um ein neues, zusätzliches Angebot der Ambulanten Diakonie, das kürzlich durch die Kassen offiziell zugelassen wurde und bereits seine Arbeit aufgenommen hat.

Damit ein Pflegedienst in der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) tätig werden kann, muss er über mindestens vier Fachkräfte verfügen, die eine entsprechende Fortbildung absolviert haben, und Palliativärzte als Kooperationspartner einbinden.

Das Ambulante Hospiz habe im vorletzten Jahr alle Pflegedienste in Mülheim angeschrieben, berichtet Leiterin Ursula König, und ihnen angeboten, zehn Fachkräften die insgesamt 160-stündige Fortbildung aus eigenen Mitteln zu finanzieren. „Drei haben eine positive Rückmeldung gegeben, aber die meisten sehen sich wirtschaftlich nicht in der Lage, das Angebot anzunehmen. Denn die Pflegefachkräfte fallen ja dann für den regulären Betrieb aus.“

Die Ambulante Diakonie indes stieg ein. Leiterin Yvonne Helmes berichtet: „Momentan werden vier Schwerstkranke von uns betreut, Tendenz steigend.“

Bedarf an Palliativpflegedienst vorhanden

Der Bedarf nach einem Palliativpflegedienst wird in Mülheim allgemein gesehen. Hospizleiterin Ursula König und andere Ehrenamtliche treffen bei Hausbesuchen nach eigener Schilderung nicht selten auf „Missstände“, die entstehen, wenn Angehörige mit der Betreuung Sterbenskranker überfordert sind. „Wir sind sehr froh, dass es jetzt so ein Angebot gibt“, sagt auch Felicitas Behmenburg vom Anbieter „Pflege zu Hause“. Sie hätten auch schon Patienten dorthin verwiesen.

Sein 20-jähriges Bestehen feiert das Ambulante Hospiz Mülheim, dessen Trägerverein am 16. Januar 1996 gegründet wurde, offiziell am 23. April in der Dümptener Gemeinde St. Barbara am Schildberg 84.

Nach einem ökumenischen Gottesdienst ab 16 Uhr folgt ein Festakt mit geladenen Gästen.

Annette Lehmann